Architektur für gute Entscheidungen
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Die Bücher „Schnelles Denken, Langsames Denken“ von Daniel Kahneman und „Nudge“ von Richard Thaler und Cass Sunstein beschäftigen sich damit, wie gute Entscheidung getroffen werden können. In diesem Artikel erhalten Sie eine Reihe von Tipps, wie Sie anhand der Erkenntnisse aus den beiden Büchern und durch Soziokratie die Entscheidungsqualität von Gruppen verbessern können.
Soziokratie ist gelebte Entscheidungsqualität
„Die Entscheidungsqualität hängt davon ab, wie eine Entscheidung zustande kommt.“ Darin sind sich Kahneman und Thaler einig. Um zu erklären, was damit gemeint ist, muss ich ein wenig ausholen.
Zwei Systeme in uns
Der Kognitionspsychologe Kahneman beschreibt zwei Selbste, die wir alle stark oder weniger stark ausgeprägt in uns tragen: ein System 1 und ein System 2.
System 1 bezeichnet das assoziative Gedächtnis, das schnell und automatisch agiert. Unser Unterbewusstsein, das immer aktiviert ist. Das intuitive und erlebende Selbst.
System 2 beschreibt unsere Selbstbestimmtheit. Die Aktivierung von System 2 ist ein bewusster und rationaler Prozess, der langsam und anstrengend ist. Das reflektierende und erinnernde Selbst.
Econs
Thaler und Sunstein beziehen sich auf Kahneman und ordnen dem reflektierenden System 2 den Homo oeconomicus zu. Sie sprechen in diesem Zusammenhang auch von Econs als Repräsentanten unserer rational geprägten Welt, in der Wissenschaften objektiv messbare Ergebnisse liefern. Econs entscheiden nach ökonomischen Gesetzmäßigkeiten. Für Ökonomen heißt das, dass eine Person rational handelt, weil sie widerspruchsfrei agiert (die Präferenzen in ihr sind widerspruchsfrei). Ein rationale Person kann es vorziehen gehasst oder geliebt zu werden, solange ihre Präferenzen in sich widerspruchsfrei sind. Rationalität ist logische Stimmigkeit – egal ob vernünftig oder nicht.
Die drei Autoren zeigen in ihren Büchern, dass dieser rationale Econ eine Illusion ist. Der Verhaltensökonom Thaler stellt dem Econ einen Human als „Normalsterblichen“ gegenüber.
Wie System 1 arbeitet – Verzerrung unserer Wahrnehmung
Im Folgenden wird die Funktionsweise von System 1 beispielhaft vorgestellt. Im Buch von Daniel Kahneman können noch viel mehr Facetten von System 1 nachgelesen werden.
Beeinflussung durch Priming
Es macht einen Unterschied, ob bei einer Kaffeemaschine über der „Vertrauenskassa“ ein Plakat mit Augen oder Blumen hängt. Kahneman zitiert eine Studie, in der beim Anblick von Augen fast dreimal soviel in die Kassa eingeworfen wurde als bei der Betrachtung von Blumen. Dieser Effekt tritt ein, ohne dass es den Betreffenden auch nur ansatzweise bewusst wäre. System 1 in uns ist die Quelle der Impulse, die häufig unsere Entscheidungen und Handlungen bestimmen. Das Beeinflussen von Entscheidungen durch Ausnutzen von solchen unbewussten Assoziationen wird Priming genannt. Ein Econ dürfte für solche Priming-Effekte nicht empfänglich sein. Er müsste unabhängig vom Bild immer gleich viel in die Kassa werfen.
WYSIATI und Basisratenfehler
Ein anderes Beispiel in Anlehnung an Kahneman: Hebert ist akkurat und sehr akribisch. Er hat einen ausgeprägten Ordnungssinn und schätzt Pünktlichkeit. Ist Herbert Bibliothekar oder Landwirt?
Was ist Ihre Meinung? Wenn Sie denken, dass Herbert Bibliothekar ist, schließen Sie sich der Mehrheit an. Rechnerisch betrachtet ist allerdings die Wahrscheinlichkeit, dass Herbert Landwirt ist, wesentlich höher, da es viel mehr Landwirte als Bibliothekare gibt. Wir wählen intuitiv ein Szenario, weil es uns plausibler erscheint, obwohl es oft weniger wahrscheinlich ist.
Diese vermutlich falsche Entscheidung erklärt sich dadurch, dass unser Unterbewusstsein (unser intuitives System 1) aus wenigen Informationen eine für uns plausible Geschichte konstruiert. Für ein schnelles Urteil zählt nur, was an Information vorliegt und zu unseren (stereotypen) Vorstellungen passt. Kahneman nennt das Phänomen Basisratenfehler und WYSIATI – What you see is all there is. Wir begnügen uns mit den vorliegenden Aussagen und beziehen keine Grundgesamtheiten (Basisraten) ein.
Emotionales Framing
Wir empfinden die Aussage „Die Überlebenswahrscheinlichkeit nach einer Impfung liegt bei 99,9%“ als deutlich hoffnungsvoller als „Die Sterblichkeit nach dieser Impfung liegt bei 0,1%.“ Die Formulierung hat einen erheblichen Einfluss auf die Meinungsbildung. Das heißt, wir sind anfällig für Framing-Effekte.
Es gibt auch den Effekt des emotinalen Framings. Jemand, der mit einem Projekt einen Verlust gemacht hat, trennt sich schwer davon. Er will den Verlust wieder gut machen. Dies ist jedoch laut Kahneman aus Sicht des Unternehmens nachteilig. Zudem wird ein Verlust, der durch Handeln zustande kommt, als gravierender eingestuft als ein Verlust durch Untätigkeit.
System 2 aktivieren und Entscheidungsqualität verbessern
Den Großteil seines Buches widmet Kahneman der Veranschaulichung, dass wir durch die Präferenz von System 1 (ist immer präsent und leicht zugänglich) Fehlentscheidungen treffen. Gleichzeitig liefert er mit seinen Untersuchungen jede Menge Möglichkeiten, unsere Entscheidungsqualität zu verbessern, indem er zeigt, wie durch eine bessere Integration von System 2 (durch Hinterfragen von schnellen Schlussfolgerungen) mehr Fakten in Entscheidungen einbezogen werden können.
Die Produktion von Entscheidungen in Organisationen
Kahneman stellt fest, dass Organisationen Fehler besser vermeiden können als Individuen, weil sie naturgemäß langsamer denken und geordnete Abläufe durchsetzen können. Er beschreibt eine Organisation unabhängig von ihren Produkten als eine Fabrik, die Urteile und Entscheidungen produziert. Weiters führt er aus, dass jede Fabrik auf Verfahren angewiesen ist, welche die Qualität ihrer Produkte sicherstellen.
Als wichtige Etappen in der Produktion von Entscheidungsqualität nennt er
- das (neutrale) Framing des zu lösenden Problems,
- die Sammlung relevanter Informationen sowie
- Nachdenken und
- Überprüfen.
Um diese Schritte eines Entscheidungsprozesses qualitätsvoll umzusetzen, fordert Kahneman systematische Schulungen für effiziente Sitzungsführung und die Fähigkeit zu konstruktiver Kritik.
Eine Organisation, die ihre Entscheidungsqualität verbessern will, sollte also in ihrem Entscheidungsprozess nach Verbesserungen Ausschau halten, um Verzerrungen in unserer Wahrnehmung und unserem Denken auszugleichen.
Es folgen Tipps zur Vermeidung von Verzerrungen durch System 1:
- Komplexe Entscheidungen strukturieren
- Sorgfältige Vorbereitung von Meetings
- Neutrale Moderation durch soziokratische Gesprächsleitung
- Geordnete Entscheidungen im Konsent
- Dynamisches Lernen durch Feedback
- Re-Check von Entscheidungen
Komplexe Entscheidungen strukturieren
Ein Prinzip guter Entscheidungsarchitektur ist die übersichtliche Strukturierung komplexer Entscheidungen. Bei sehr komplexen Sachverhalten ist es hilfreich, eine kleinere Anzahl von Optionen anzubieten, die gut verstanden werden und gut abgewägt werden können. Zu viele Möglichkeiten verwirren und führen zu Widersprüchen. Kahneman zeigt, dass durch die Konzentration auf die wesentlichen Faktoren die Entscheidungsqualität steigt.
Sorgfältige Vorbereitung von Meetings
An dieser Stelle verweise ich auf die professionelle Vorbereitung von Meetings in der Soziokratie. Eine soziokratische Agenda kann viel für die Verbesseruung der Entscheidungsqualität beitragen. Schon vor dem Meeting sollen die notwendigen Informationen neutral und gut verständlich aufbereitet werden, damit sich die Teilnehmenden bereits im Vorfeld zum Treffen umfassend informieren können. Es kann auch sinnvoll sein, den Menschen Informationen zu gegensätzlcihen Positionen zur Verfügung zu stellen.
Neutrale Moderation durch soziokratische Gesprächsleitung
Im Entscheidungsprozess selbst ist es wichtig, dass von der Moderation die richtigen Fragen gestellt werden und dadurch Framing-Effekte oder sonstige blinde Flecken aufgedeckt werden können. Wenn wir Framing-Mechanismen kennen, können wir im Entscheidungsprozess achtsam sein und durch sorgfältige Kommunikation Framing-Effekte minimieren – z.B. durch Re-Framing, indem wir eine negative Aussage auf positiv umformulieren.
Geordnete Entscheidungen im Konsent
Durch den Prozess der Konsentmoderation gibt es in der Soziokratie einen systematischen Ablauf für die Produktion von Entscheidungen. Alle Teilnehmenden werden vom der soziokratischen Gesprächsleitung gewissermaßen gezwungen, ihre eigene Meinung einzubringen und mitzuentscheiden. Über Informations- und Meinungsrunden werden die verschiedenen Informationsbedürfnisse gründlich beantwortet und die Sichtweisen der Beteiligten sorgfältig offengelegt.
Meinungsverschiedenheiten und Kritik sind in einem soziokratischen Entscheidungsprozess keine lästigen oder unerwünschten Vorkommnisse. Im Gegenteil, sie sind wichtig, da durch sie Lösungen verbessert werden können.
Durch vorausschauende Vorbereitung von soziokratischen Meetings und die konsquent geführte Konsentmoderation ergibt sich ein angemessen intensiver Nachdenkprozess, welcher der Komplexität von Entscheidungen Rechnung trägt.
Dynamisches Lernen durch Feedback
Eine Überprüfung von gemeinsam getroffenen Entscheidungen ist in der Soziokratie durch den dynamischen Steuerungsprozess mit eingebautem Feedback gewährleistet. In diesem Prozess werden die Ergebnisse der Ausführung von Entscheidungen gemessen, um daraus zu lernen und bei Bedarf die Entscheidung zu korrigieren und zu verbessern.
Re-Check von Entscheidungen
Da Humans Fehler machen, empfehlen Thaler und Sunstein fehlertolerante Systeme für Entscheidungen zu bauen. Es soll eine Automatik geben, die daran erinnert, wenn ein Tank leer wird oder ein Service fällig wird. Umgelegt auf eine Organisation bedeutet das, dass es einen Prozess geben soll, der sicherstellt, dass wichtige Entscheidungen rechtzeitig gefällt werden. In einer soziokratischen Organisation gibt es Logbuchverantwortliche, die dafür sorgen, dass Beschlüsse transparent festgehalten werden und abgelaufene Beschlüsse erneut auf die Agenda kommen.
Humans
Der Econ ist also ein Konstrukt der Wirtschaftswissenschaften. Obwohl es diesen idealen, aber unrealistischen Econ nicht gibt, ist es wichtig, wie Econs rational an Fragestellungen herangehen zu können und Vorgaben systematisch kritisch zu hinterfragen. Thaler stellt dem Modell des Homo oeconomicus einen fehlerhaften, aber echten Human als „Normalsterbliche“ gegenüber. Er geht von einem realistischen Menschenbild aus, d.h. von einem Human, der keine vollständige Information zur Verfügung hat und nicht immer konsistent und logisch entscheidet. Humans sind manchmal großzügig und engagieren sich einfach für etwas, das ihnen wichtig ist. Oder sie schaden ihrer Gesundheit, indem sie Alkohol und Zigaretten genießen. Obwohl eine rationale Wahl existiert, entscheiden sie anders. Humans sind nicht berechenbar. Sie reagieren oft intuitiv aus dem Bauchgefühl heraus, ohne lange zu überlegen.
Unser automatisches System 1 gibt auch auf Aufgabenstellungen, die eine spezifische Antwort verlangen, schnelle Antworten. Wie viel ist 17×24 ? Oft liegen wir mit einer spontanen Schätzung näherungsweise richtig, aber manchmal liegen wir ziemlich daneben. Wenn wir nicht nachrechnen, wissen wir nicht, wie gut wir mit unserer Schätzung lagen. System 1 gibt kein Warnsignal ab, wenn es unzuverlässig wird.
Können wir unserem System 1 überhaupt trauen?
Heißt das, dass unsere Intuition immer zu hinterfragen ist? Oder ist uns diese Intuition in bestimmten Situationen auch nützlich?
Auch wenn wir nicht wissen, warum wir beim Betreten eines Raumes eine Person sofort erkennen, wissen wir doch eindeutig und mühelos, dass es unsere Freundin Angela ist. Hier verwenden wir unser System 1 ganz selbstverständlich und es ist verlässlich.
Natürliche Entscheidungsprozesse
Kahneman referenziert ein Beispiel von Gary Klein, Intuitionsforscher aus den USA, der natürliche Entscheidungsprozesse untersuchte. Ein Team von Feuerwehrleuten drang in ein Haus ein, in dem die Küche in Flammen stand. Kaum hatten sie mit den Löscharbeiten begonnen, rief der Einsatzleiter „Raus hier“, ohne zu wissen warum. In dem Moment als sich alle Feuerwehrleute außerhalb des Raum befanden, stürzte die Decke ein. Erst im Nachhinein wurde dem Einsatzleiter bewusst, dass das Feuer ungewöhnlich leise war und seine Ohren ungewöhnlich heiß waren. Und obwohl er nicht wusste, was nicht stimmte, wusste er, dass etwas nicht stimmte. Der Brandherd war nicht in der Küche, sondern im Raum darunter, unterhalb der Stelle wo die Männer gestanden hatten.
Intuitive Expertise
In diesem Fall war also die Intuition lebensrettend. Kahneman untersuchte genauer, wann und wie intuitive Expertise entwickelt werden kann. Im Unterschied zu erfahrenen Feuerwehrleuten spricht er nämlich Stockpickern oder Politikwissenschaftlern den Erwerb verlässlicher intuitiver Expertise ab. Den wesentlichen Unterschied sieht Kahneman darin, dass Stockpicker oder Politikwissenschaftler in einer Umgebung agieren, in der Informationen keinerlei Aussagekraft für Vorhersagen besitzen. Feuerwehrleute hingegen lernen in immer wiederkehrenden Brandsituationen Hinweisreize vom intuitiven System 1 mit hoher prognostischer Gültigkeit zu nutzen, auch wenn das rationale System 2 diese nicht benennen kann. Diese situativen Hinweisreize geben dem Experten Zugang zu Informationen, die im unterbewussten Gedächtnis gespeichert sind, und diese Informationen liefern die Antwort.
Intuition ist also Wiedererkennen. Auch wenn diese Sichtweise Intuition in gewisser Weise entzaubert, so können wir daraus doch lernen, wie wir gute Umgebungen für hohe Entscheidungsqualität schaffen können.
Für intuitive Expertise eine Umgebung schaffen
In unserem Gedächtnis ist durch lebenslange Übung ein enormes Repertoire an Fähigkeiten gespeichert, aus dem wir automatisch geeignete Lösungen generieren wie z.B. das Umgehen eines Steins.
Voraussetzungen für den Erwerb intuitiver Expertise
Damit sich langfristig eine Fähigkeit entwickelt und unsere intuitiven Urteile und spontane Entscheidungen überwiegend zutreffend sind, müssen lt. Kahneman bestimmte Bedingungen gegeben sein.
Kahneman sagt, dass wir der Intuition eines Experten trauen können, wenn
- der Experte in einem geregelten Umfeld
- langjährige Erfahrung
- mit ausreichenden Übungsmöglichkeiten hat und
- sachdienliches und zügiges Feedback über die Richtigkeit seiner Gedanken und Handlungen erhält. Das Feedback muss eindeutig sein und der Experte muss einen Bezug zu seiner Handlung herstellen können, um daraus zu lernen und sich zu verbessern.
Es folgen Tipps wie durch die Intuition von Experten die Entscheidungsqualität verbessert werden kann:
- Die richtigen Personen für Entscheidungen
- Vertrauensvoller Raum für Zusammenarbeit
- Fehlende Uneinigkeit
Die richtigen Personen für Entscheidungen
Wir sollten dafür sorgen, dass die richtigen Personen entscheiden. Ein Programmierer bekommt vom System unmittelbare Rückmeldung, ob eine Codeänderung funktioniert oder nicht. Eine Pflegekraft kennt ihre Patienten und bekommt von ihnen direktes Feedback zu durchgeführten Pflegemaßnahmen. Je mehr Übung sie in einer regelmäßigen Umgebung haben, umso mehr vertrauenswürdige Expertise bauen sie auf.
Es ist wichtig, dass jene Menschen entscheiden, die am meisten Expertise haben – dass Entscheidung und regelmäßige Ausführung bei denselben Personen liegt. Die Entscheidungen sollen demnach nicht von der hierarchischen Führungskraft getroffen werden, sondern von den Ausführenden selbst.
Wenn Menschen in einer soziokratischen Struktur in Kreisen zusammenarbeiten, ist das selbstverständlich. Ein Kreise bekommt einen Verantwortungsbereich übertragen, den dann die Kreismitglieder selbstständig organisieren – sie leiten, setzen um und überprüfen die Ausführung. Die einzelnen ausführenden Personen bringen das Feedback, das sie bekommen, wieder in den Kreis zurück. Diese Rückmeldungen verbessern – wie weiter oben schon beschrieben – über regelmäßige Feedbackschleifen im Rahmen der dynamischen Steuerung die Arbeit im Kreis.
Vertrauensvoller Raum für Zusammenarbeit
Damit sich Menschen mit ihrer Expertise ganz einbringen können, braucht es einen vertrauensvollen Raum. Ein Hilfsmittel dafür sind die 4 Praktiken für einen echten Dialog.
Fehlende Uneinigkeit
Kahneman hat zusammen mit Gary Klein noch weiter untersucht, wann natürliche Entscheidungsprozesse sinnvoll sind. Sie fanden heraus, dass speziell in Situationen fehlender Uneinigkeit die intuitive Expertise das Mittel der Wahl ist. Wenn sich verschiedene Personen oder Gruppen nicht wirklich einig sind, was eine Situation erfordert – aber auch keine grundlegenden Meinungsverschiedenheiten haben.
In der Soziokratie ist das gemeinsame Ziel Voraussetzung für eine gute Zusammenarbeit. Wenn Personengruppen erfolgreich zusammen arbeiten wollen, ist es wichtig, dass sie sich über die gemeinsame Ausrichtung ihrer Aktivitäten verständigt haben. Es geht dabei um eine gemeinsame Vision und Mission, um einen gemeinsamen Purpose. Wenn es ein grundlegend verschiedenes Verständnis über den Zweck eines Unternehmens gibt, wird es schwierig, zusammenzuarbeiten und gemeinsame Entscheidungen zu treffen. Je stärker sich die Menschen durch ein gemeinsames Ziel verbunden fühlen, umso besser. Umso stabiler und robuster wird die Kooperation. Meinungsverschiedenheiten sind dann kein Problem, im Gegenteil: sie befruchten die Zusammenarbeit.
Entscheidungen für Wohlbefinden treffen
Im Schlusswort seines Buches skizziert Kahneman eine Theorie des Wohlbefindens, welche die Wünsche von Menschen und das was tatsächlich im Leben von Menschen passiert, vereinen soll. Er drückt damit aus, dass sowohl das intuitiv-erlebende als auch das rational-erinnernde Selbst berücksichtigt werden müssen, weil ihre Interessen nicht deckungsgleich sind. Es ist die Symbiose von zwei Strategien, die lange Zeit als zwei separate Dinge betrachtet wurden.
Entscheidungsqualität durch Integration von System 1 und System 2
In einer Organisation gilt es zu überlegen, wie sowohl eher intuitiv als auch eher rational veranlagte Menschen gut in Entscheidungen integriert werden können, ohne deren Entscheidungsfreiheit einzuschränken. Die Trägheit des nachdenkenden Selbst gilt es zu überwinden und die Eigenarten des automatischen Selbst sollen berücksichtigt werden. Besondere Aufmerksamkeit verdienen Menschen mit einer starken Ausprägung von System 1, die oft ermutigt werden müssen, sich ganz einzubringen. Sie sind meist zurückhaltender als Menschen mit einer stärkeren Zentrierung auf System 2. Es ist eine ständige Übung, die Balance zwischen den beiden Selbsten zu finden.
Der soziokratische Prozess der Entscheidungsfindung integriert sowohl die Aspekte von System 1 als auch System 2. Hilfreich dabei sind
- die sorgfältige Vorbereitung von Entscheidungen,
- die Konsentmoderation,
- die dynamische Steuerung,
- die Kreisstruktur und
- die vertrauensvolle Zusammenarbeit im Kreis.
Durch den strukturgebenden soziokratischen Prozess werden die Qualitäten des rationalen Selbst aktiviert. Durch den Aufbau eines vertrauensvollen Raumes, können Humans mit ihrer Verletzlichkeit, mit all ihren Ressourcen und Erfahrungen hereingeholt werden.
Wenn Sie sich noch weiter darin vertiefen wollen, wie Sie persönliche Denkfehler vermeiden und kognitive Einschätzungen verbessern können, dann lesen Sie Kahneman und Thaler.
Wenn Sie in Ihrem Unternehmen die Entscheidungsarchitektur und damit die Entscheidungsqualität anheben wollen, dann kontaktieren Sie mich oder einen anderen erfahrenen Soziokratie-Experten.
Quellen:
Kahneman, Daniel (2012): Schnelles Denken, Langsames Denken. München: Siedler-Verlag.
Strauch, Barbara & Reijmer, Annewiek (2018): SOZIOKRATIE. Kreisstrukturen als Organsiationsprinzip zur Stärkung der Mitverantwortung des Einzelnen. München: Vahlen-Verlag.
Thaler, Richard H. & Sunstein, Cass R. (2009): Nudge: Wie man kluge Entscheidungen anstößt. Berlin: Econ-Verlag.
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