Kulturentwicklung und Soziokratie unterstützen Paradigmenwechsel: Wirkfaktor 3
Kategorie: Blog
Fortsetzung des Artikels Tipping Point »Verantwortung in der Führung«. In diesem Blogbeitrag geht es um Mitverantwortung und Beteiligung durch Mitentscheiden – Wirkfaktor 3 von 7:
Mitverantwortung und Beteiligung
Verantwortung für das Unternehmen
Was der Unternehmensleiter Bodo Janssen über die Bewältigung der Corona-Krise berichtet, sagt viel über die Organisation und die Zusammenarbeit bei Upstalsboom aus. Allein der Ausspruch „Unsere Kultur rettet uns den Arsch“ (Janssen 2020a) spricht Bände.
Proaktiv Mitverantwortung übernehmen
Bodo Janssen erzählt, dass sich nach dem COVID-19-Lockdown proaktiv auf Initiative der Mitarbeiter ein Krisenstab gebildet hat. Sofort nachdem klar war, dass die Hotels geschlossen werden müssen, wurde innerhalb von zwei Tagen ein Maßnahmenplan erstellt, um in den Stand-by-Modus zu gehen (Janssen 2020b). Der Krisenstab hat sich dann zu einem rollierenden Team mit Leuten aus ganz verschiedenen Bereichen entwickelt, bei dem jeder, der glaubt einen Beitrag leisten zu können, anstehende Aufgaben eine Zeitlang erledigt.
Achtsamer Beteiligungsprozess und Vertrauenskultur
Um den Menschen die Möglichkeit zu geben, sich zu beteiligen und Verantwortung zu übernehmen, gibt es eigene Prozesse bei Upstalsboom. Wenn Entscheidungen zu treffen sind, dann werden alle Teilnehmenden zuerst reihum um ihre Impulse und Meinungen gefragt, alle hören zu bevor mit dem Kommentieren und Bewerten begonnen wird. So wird dann eine Lösung kreiert, mit der alle verbunden sind. Die Menschen kommen vom Sollen zum Wollen (Janssen 2020c).

Abb. 1: Paradigmenwechsel hin zu Mitverantwortung und Beteiligung (Quelle: INU-Modell, Schallhart 2020)
Möglich ist das nur in einer Kultur des Vertrauens, die von einem starken Zusammenhalt getragen wird. Gemeinsam gut durch die Krise zu gehen wird möglich, weil die Menschen eigenverantwortlich agieren und bereit sind, Verantwortung zu übernehmen. Bodo Janssen muss nicht immer der Macher und Superheld sein. Er fühlt sich von der Gemeinschaft getragen und ist bereit zu partizipieren.
Soziokratie unterstützt Mitverantwortung und Beteiligung
Dass Menschen Mitverantwortung übernehmen, ist einer der wichtigsten Pfeiler einer soziokratischen Organisation.
Machtverteilung
Der Kreis ist selbstorganisiert und entscheidet, setzt um, misst die erbrachten Ergebnisse und korrigiert. Kollegial miteinander erstellte Vereinbarungen über die Art und Weise der Zusammenarbeit bestimmen das Vorgehen. Alle Kreismitglieder sind gefordert, selbst mitzuentscheiden, mitzuarbeiten und mitzuverantworten. Anstatt die Macht der Entscheidungen, wie in Linienorganisationen üblich, „nach oben“ zu verlagern, bleibt die Macht in den Kreisen und Entscheidungen werden autonom dort gefällt, wo sie anfallen.
Kollegiale Führung im Kreis
Wenn wir von Mitverantwortung reden, dann ist es wichtig, dass dies in einer Form erfolgt, die nicht übergriffig ist. Mit Hilfe des soziokratischen Arbeitens im Kreis entscheidet jedes Kreismitglied gleichberechtigt. In einem Kreis wird das Wort eines einfachen Kreismitglieds genauso ernst genommen wie jenes des Kreisleiters. Mitarbeitende werden so ermutigt, auch von der Kreisleitung abweichende Meinungen ungeschminkt mitzuteilen. Um Anfangshürden zu überwinden, hilft eine (externe) Moderation, die Sicherheit gibt und auf Gleichbehandlung in der Beschlussfassung achtet.
Die Führungsperson argumentiert ihre Entscheidungen so wie alle anderen Kreismitglieder entlang der Leitplanken für die Zusammenarbeit. Es ist nicht mehr so, dass der Chef entscheidet und die Mitarbeitenden unhinterfragt ausführen sollen. Die Leitung eines Kreises ist eine dem gemeinsamen Kreisziel dienende Rolle.
Holarchische KonsenT-Entscheidungen
Mithilfe der Methode des KonsenT (nicht Konsens) wird ein Rahmen geschaffen, in dem Menschen autonom entscheiden und gleichzeitig mit der Organisation verbunden sind. Es geht darum, für ein konkretes Problem eine im Moment machbare Lösung im Sinne des „gemeinsamen Ziels“ zu finden. Durch Mitentscheiden werden die Menschen aktiver in die Organisation einbezogen. Es wird mehr Mitdenken und Mitverantwortung von ihnen verlangt. Das führt zu effizienter und qualitätsvoller Entscheidungsfindung. Eine soziokratische Führungsperson kann akzeptieren, dass nicht die eigene Entscheidung das Maß aller Dinge ist, sondern dass es auch andere, sogar weitaus bessere Wege zum Ziel geben kann.

Abb. 2: Soziokratische Instrumente für Mitentscheiden und Mitverantworten (Quelle: INU-Modell, Schallhart 2020)
Durch das Einbeziehen der Mitarbeitenden und gemeinsame Grundsatz-Entscheidungen im KonsenT wird eine holarchische Vorgangsweise umgesetzt, bei der sich Führende nicht einfach über Menschen im Unternehmen hinwegsetzen können.
>> Direkt zum Wirkfaktor 4 »Transparenz und klare Kommunikation«
Quellen
Janssen, Bodo (2020a): „Unsere Kultur rettet uns den Arsch“, Interview mit newmanagement.haufe.de, https://newmanagement.haufe.de/strategie/upstalsboom-ceo-bodo-janssen-ueber-tourismus-und-corona
Janssen, Bodo (2020b): Stark in stürmischen Zeiten, Lern4Life Webinar mit Bodo Janssen, youtube.com/watch?v=HyBLjMH8-D4
Janssen, Bodo (2020c): Bodo Janssen im Gespräch mit Winfried Nonhoff beim Symposium zum 75. Geburtstag von Anselm Grün, youtube.com/watch?v=BrILRGB49KU
Schallhart, Annemarie (2011): Integrale nachhaltigkeitsorientierte Unternehmensentwicklung, Norderstedt: www.grin.com
Strauch, Barbara & Reijmer, Annewiek (2018): SOZIOKRATIE. Kreisstrukturen als Organisationsprinzip zur Stärkung der Mitverantwortung des Einzelnen. München: Vahlen-Verlag.
Zum Weiterlesen und Vertiefen
8-teilige Artikelserie: So können Unternehmensleitung und Führungspersonen unterstützt werden, den bevorstehenden Paradigmenwechsel als Antwort auf COVID-19 und Klimakrise in ihrem Unternehmen zu manifestieren:
- Der Blogartikel Tipping Point »Verantwortung in der Führung« legt dar, worin der notwendige Paradigmenwechsel besteht und warum Verantwortung der Schlüssel für echte Veränderung ist.
7 Wirkfaktoren zeigen in 7 weiteren Blogartikeln wie eine Transformation von einer mechanistisch-hierarchischen Organisation hin zu einer lebendig-holarchischen gelingen kann:
Aspekt Verantwortung als Person
- (Wirkfaktor 1) »Bewusstseinsentwicklung«
Aspekt Verantwortung für das Unternehmen
- (Wirkfaktor 2) »Sinnorientierung«
- (Wirkfaktor 3) »Mitverantwortung und Beteiligung«
- (Wirkfaktor 4) »Transparenz und klare Kommunikation«
- (Wirkfaktor 5) »Selbstlernkompetenz«
- (Wirkfaktor 6) »Kompetenz und Vertrauen statt Hierarchie«
Aspekt Verantwortung für das Ganze
- (Wirkfaktor 7) »Gesellschaftliche und planetare Verantwortung wahrnehmen«
Anhand des Tourismusunternehmens Upstalsboom wird auf persönliche und kulturelle Aspekte eingegangen. Über das Instrument der Soziokratie wird erläutert, wie der Paradigmenwechsel methodisch unterstützt werden kann.
Interessiert Sie das? Haben Sie Fragen dazu? Ich freue mich über Ihren Anruf oder Ihr Mail

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